Geld mit den eigenen Dienstleistungen oder Produkten zu verdienen ist in der Theorie eigentlich ganz einfach. Leider wird die Theorie in der Praxis oft eingeholt und es ist doch schwerer als es sich angehört hat. Viele Ideen scheitern, weil sie entweder nicht den Nerv der Zeit treffen, schlecht vermarktet werden oder für sie gar kein Bedarf besteht. Letzteres ist am schlimmsten, denn das wird sich vermutlich nie ändern.
Eine Möglichkeit zu überprüfen, ob die eigene Idee mit der die Selbständigkeit profitabel werden kann, ist zu überlegen, welche Menschen mein Angebot nutzen werden, welche Menschen aus diesem Pool meine Wunschkunden sind und wie ich diese zum Kauf überzeuge. Es schadet aber auch nicht, diese Analyse im laufenden Geschäftsbetrieb immer einmal wieder zu unterziehen, um zu überprüfen, ob die eigene Idee noch die Wunschkunden anspricht oder ob sich der Wunschkunde verändert hat.
Was kann mein(e) Produkt / Dienstleistung?
Bevor der Wunschkunde identifiziert werden kann, sollte selbstverständlich erst einmal klar sein, was im Groben überhaupt angeboten werden soll. Da ich das Beispiel für sehr anschaulich halte und weil ich mich ein wenig darin auskenne, würde ich gerne annehmen, dass unser Produkt eine Spiele-App ist, die ähnlich wie Clash of Clans funktioniert.
Lies dazu doch auch meinen Beitrag “Gaming-App-Marketing ist gar nicht mal so einfach”
Für alle, die das Spiel nicht kennen, hier eine kurze Beschreibung: Es kann kostenlos heruntergeladen werden und man fängt in einem kleinen Dorf an. Mit einer virtuellen Währung ist es möglich Wachtürme, Gebäude und Einheiten zu erstellen. Je höher das Level, desto mehr Zeit benötigt die Fertigstellung. Mit diesen Einheiten können fremde Dörfer angegriffen werden, um die virtuelle Währung zu erbeuten. Es besteht ebenfalls die Möglichkeit, dass andere Spieler das eigene Dorf angreifen, um die Währung zu stehlen. Darüber hinaus gibt es Clan-Wettbewerbe, bei denen man gemeinsam so gut wie möglich angreifen muss, um sogenannte Clan-Kriege zu gewinnen.
Es besteht die Möglichkeit, Premiumguthaben zu erwerben. Damit ist es möglich, diese virtuelle Währung zu erhalten oder die lästigen Wartezeiten zu verkürzen.
Kunden definieren
Die Zielgruppe dieser Spiele-App ist also breit gefächert. Jeder, der gerne Onlinespiele spielt und ein Smartphone/Tablet besitzt, ist ein potenzieller Kunde. Nun kann man beispielsweise drei oder mehr typische Kunden definieren um herauszufinden, wer mein Wunschkunde ist.
Kundenmerkmale
Welche Kriterien du für deine Kunden anlegst, sollte von deinem Produkt abhängen. Verkaufst du Büstenhalter, ist das Geschlecht deiner Kunden extrem wichtig. Bei normalen Klopapier eher weniger.
Kundenmerkmale könnten sein:
- Alter
- Geschlecht
- Religion
- Sprache
- Beruf
- Aufenthaltsort
- Lebenssituation
- verfügbares Einkommen
- offen für neues?
- Tägliche Freizeit
- Freizeitgestaltung
- Interessen
- politische Einstellung
- Lebensziele
- Berufsziele
- Persönlichkeitsstruktur (Denker, “Macher”, geduldig, ungeduldig …)
- Schwächen
- Stärken
Kundentypen skizzieren
Obwohl es für unsere Gaming-App hunderte Kundentypen gibt, skizziere ich hier vier Kundentypen, die das Spektrum schon ganz gut abbilden.
- Julian (12) installiert eigentlich alles, was neu im App-Store herauskommt. Manchmal kauft er sich heimlich Guthabenkarten im örtlichen Supermarkt um schnellere Spielfortschritte zu erlangen. Damit gibt er dann am nächsten Tag im Pausenhof an. Wenn er merkt, dass er nicht mehr weiterkommt und nicht der Beste werden kann, verliert er das Interesse und zieht zum nächsten Spiel weiter.
- Maria (16) hat von dem Spiel von ihren Freunden erfahren und ist nur dabei um dabei zu sein. Eigentlich ist sie eher die sportliche Teenagerin und hat lediglich vor dem Bett gehen kurz Zeit zum Spielen. Sie ist zwar ehrgeizig, aber sieht das Spiel nicht als Herausforderung an, weshalb es ihr egal ist, dass sie manchmal drei Tage auf ein neues Gebäude warten muss.
- Bernd (25) ist Single, Facharbeiter und hat ein relativ hohes verfügbares Einkommen. Er fühlt sich in seinem Job ein wenig unterfordert, weshalb er einen eigenen Clan gegründet hat. Es macht ihm Spaß dort alles zu organisieren und Verantwortung zu übernehmen. Natürlich will er deshalb auch mit gutem Beispiel vorangehen und der beste Spieler in seinem Clan sein. Dafür kauft er auch gerne mal das größte Paket, wenn der Lohn eingetroffen ist.
- Jürgen (36) ist zweifacher Familienvater und hat in seiner Jugend viel gespielt. Er loggt sich 2-3x am Tag ein, wenn es die Zeit zulässt, um kurz dem Alltag zu entfliehen und sich über die Fortschritte zu freuen. Ab und an kauft er ein kleines Premiumpaket, vor allem, wenn es im Angebot ist. Er findet, dass man bei einem Spiel, das man so viel spielt, auch den Entwickler unterstützen muss. Außerdem erfreut er sich natürlich über die Premiuminhalte.
Wunschkunde identifizieren
Man muss kein Nobelpreisträger sein, um zu erkennen, dass wir so viele Bernds wie möglich als Kunde haben wollen. Er ist unser absoluter Wunschkunde. Vor allem, wenn man weiß, wie der eigene Markt funktioniert. Und im Gaming-App-Markt stellt es sich so dar, dass nur 2 % der Spieler jemals Geld ausgeben. Die Hälfte des Umsatzes wird lediglich von 0,19 % der Spieler generiert. Also von Bernds.
Haben wir einen Wunschkunden gewonnen ist es unsere dringendste Aufgabe ihn nicht zu verlieren. Damit wir ihn nicht verlieren benötigen wir aber auch andere Spieler, damit sich der Bernd nicht langweilt. Dafür ist uns selbstverständlich Jürgen und Maria lieber als Julian. Zwar gibt Julian im Gegensatz zur Maria Geld aus (rechtlich wegen des Alters jedoch problematisch), Maria sorgt aber eher dafür, dass sich Bernd im Spiel wohlfühlt.
Ähnliches kann man übrigens beobachten, wenn man versuchen möchte im Internet Geld zu verdienen. Zum Beispiel beim Bloggen. Von 1.000 Besuchern klicken, wenn es sehr gut läuft 3 % auf deine Werbung. Von den 3 % konvertieren, wenn es ebenfalls gut läuft 15 %. Das wären 4,5 Abschlüsse pro 1.000 Besucher. Also eine bereinigte Konversationsrate von lächerlichen 0,45 %.
Dieses Wunschkunden-Beispiel hilft jetzt dem Schreiner relativ wenig, weil er diese spezielle Konstellation nicht besitzt. Aber auch ein Schreiner hat einen Wunschkunden, zum Beispiel Menschen, die ein neues Haus bauen und die Inneneinrichtung von ihm machen lassen. Die zweitliebsten Kunden sind Menschen, die ein individuelles Möbelstück von ihm haben möchten. Schlecht sind Kunden, die nur kleine Reparaturarbeiten am Haus haben. Da ist es oftmals die Anfahrt nicht wert.
Realistische Anzahl an Wunschkunden schätzen
Über Erfolg und Misserfolg deiner Selbständigkeit entscheidet auch, ob du die Anzahl deiner Wunschkunden richtig einschätzen kannst. Gibt es diesen Bernd überhaupt und wenn ja, wie viele? Und wie viele dieser Bernds kannst du für dein Produkt begeistern? Beziehungsweise, wie viele Bernds musst du für dein Produkt begeistern, um erfolgreich zu sein?
Große Unternehmen bedienen sich hierzu der Marktforschung, die übrigens mittlerweile sogar für Normalos erschwinglich geworden ist. Man kann sich auch mit Studien und Statistiken behelfen. Aber am Ende ist die Einschätzung, wie viele Wunschkunden es gibt und wie viele Wunschkunden du akquirieren kannst eine Subjektive. Je besser du jedoch den Markt kennst und verstehst, desto weniger subjektiv wird deine Einschätzung.
Manchmal hilft auch der gesunde Menschenverstand. Wenn die Wunschkunden über 50-jährige Millionäre sind, die nigerianisch sprechen ist das Vorhaben wohl zum Scheitern verurteilt. Wenn die Wunschkunden über 50-jährige Wohlhabende sind, die gerne Skifahren, ist es schon eher realistisch, dass es diese Wunschkunden gibt.
Wunschkunden akquirieren
Die Kunst ist es anschließend in deinem Marketing deine Wunschkunden anzulocken. Im Gaming App Beispiel wäre das Bernd die Clanfunktion bei seinem ersten Besuch des App-Stores schmackhaft zu machen. Wie viel Verantwortung er da hat und wie ihn die Leute lieben werden, wenn er seinen Clan erfolgreich in die Schlacht führt und so weiter.

Bild: geralt
Selbstredend solltest du dich auch dort aufhalten, wo sich deine Wunschkunden befinden. Wenn du hippe Produkte für 20-jährige Studentinnen verkaufen möchtest, wäre Zeitungswerbung in Anzeigenblättchen die falsche Strategie. Bietest du Aerobic Kurse für Fortgeschrittene an, solltest du nicht beim MC Donalds netzwerken, sondern im Fitnessstudio.
In meinem Fall habe ich herausgefunden, dass ich die meisten Besucher über Suchmaschinen erhalte, deshalb optimiere ich die Beiträge vor allem für Suchmaschinen und habe meine Social Media Aktivität für Plötzlich-Selbständig fast eingestellt. Für meinen Umweltschutz- und Regenwaldblog Blog2Help klappt es in den sozialen Medien aber ganz gut, weshalb ich hier mehr Zeit in die sozialen Medien stecke als in krass optimierte Blogartikel.
Im Dienstleistungsbereich könnte man seinen Wunschkunden zum Beispiel mit einer Premium Supporthotline ab 10.000 € Jahresumsatz locken, wenn ihm persönliche Betreuung besonders wichtig ist.
Werde kreativ bei der Akquise deines Wunschkunden, aber immer mit der realistischen Einschätzung, ob ihn das überhaupt anspricht. Genau dafür hast du ja das Profil deines Wunschkunden erstellt.
Wunschkunden zufriedenstellen
Nicht nur bei der Akquise musst du deinen Wunschkunden glücklich machen. Die (schöne) Arbeit geht erst richtig los, wenn du ihn an der Angel hast. Service ist wohl, egal ob Dienstleistung oder Produkt, immer wichtig. Da ist es auch unerheblich, ob zu Beginn deiner Selbständigkeit oder mittendrin. Du solltest dir in jedem Fall Gedanken darüber gemacht haben, was passiert, wenn du Kunden akquiriert hast. Mit der Zeit solltest du die Bedürfnisse deiner Wunschkunden noch besser herauskristallisieren und diese befriedigen.
In unserem Fall könnte man Bernd bei Laune halten, indem man Clan-Wettbewerbe veranstaltet. Idealerweise hat man am Nutzerverhalten festgestellt, wann Nutzer wie Bernd normalerweise Urlaub haben. Dann legt man den Wettbewerb dort hinein. Unseren zweitliebsten Kunden Jürgen präsentieren wir in regelmäßigen Abständen exklusive, auf ihn zugeschnittene Rabattaktionen, wenn er sich einloggt.
Wenn der Schreiner weiß, dass vor allem im Frühling die Leute motiviert sind, ihr Haus umzudesignen, könnte er gezielt diese Kunden anrufen und spezielle Renovierungsangebote vorbereiten.
Sind Wunschkunden abgesprungen sollte analysiert werden, warum das geschehen ist, um die eigene Strategie anzupassen.
Wie mit Nicht-Wunschkunden umgehen?
Zu Beginn deiner Selbständigkeit wirst du vermutlich alle Kunden annehmen, die du akquiriert bekommst. Das muss nicht unbedingt ein Fehler sein, verkaufe dich aber bitte nicht unter Wert und lass dir nicht Projekte aufdrängen, die komplett von deinen gewünschten Kundenstamm abweichen und bei denen du dich nicht wohlfühlst. Ich weiß, wenn der Kontostand schwindet, ist das leichter gesagt als getan.
Im Laufe deines Unternehmertums solltest du aber immer mal wieder deine Antikunden identifizieren und Maßnahmen treffen.
Zuerst sollte identifiziert werden, ob der unbeliebte Kunde nicht doch einen Wert hat. Im Gaming-App-Beispiel um die Leute bei Laune zu halten. Oder im Falle des Schreiners, dass ihn die Leute der kleinen Reparaturarbeiten am häufigsten weiterempfehlen und ihm so zu Wunschkunden verhelfen. Vielleicht werden auch X % der unbeliebten Kunden innerhalb von einem Jahr zu Wunschkunden. Dann könnte der Schreiner unbeliebte Kunden erst nach einem Jahr abstoßen. Deshalb ist es wichtig, interessante Kennzahlen zu dokumentieren.
Das könnte kombiniert werden mit der ABC-Methode, indem du die Kunden nach deinem Umsatz und Aufwand in drei Kategorien einteilst. Den C-Kunden teilst du freundlich mit, dass du sie nicht mehr bedienen kannst. Wichtig ist hier keine verbrannte Erde zu hinterlassen.
Ein Mosaikstein zum Erfolg
Das Definieren eines Wunschkunden wird dich nicht automatisch zum Erfolg führen. Es ist aber ein gutes, da auch plastisches Instrument um ein Gefühl für sein Produkt und seine (potenziellen) Anwender zu bekommen. Da diese Analyse in der Regel recht schnell geht, eignet sie sich nicht nur zu Beginn deiner Selbständigkeit um deine Positionierung zu kennen.
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Bei folgendem Satz dachte ich, ich les nicht richtig:
“Nicht nur bei der Akquise musst du deinen Wunschkunden glücklich machen. Die (schöne) Arbeit geht erst richtig los, wenn du ihn an der Angel hast. Service ist wohl egal”
aber beim Weiterlesen wurde mir klar, dass da nur ein kleines Komma fehlt. Setz doch bitte eins, dann stolpert niemand beim Lesen (;
Hallo Martina,
danke für den Hinweis.
Wie war das? Kommas können Leben retten 😀
(Wir essen Opa / Wir essen, Opa)
Hey Robert!
Ein schöner Artikel! Du schaffst es, in einfachen Worten die Wichtigkeit und die Erstellung eines Kundenprofils zu erklären. Gerade das Fallbeispiel ist sehr anschaulich und dass du ohne den ganzen Marketing-Jargon auskommst, ist fast schon bemerkenswert 😉 Durch gut gemachte Kundenprofile kann man eben bestimmen, wie es weiter geht mit dem eigenen Produkt bzw. Dienstleistung. Das gilt natürlich auch für Geschäftskunden und Networking. Habe übrigens hier einen komplizierteren und fachsprachlicheren Artikel gefunden, der, wie ich finde, das ganze nochmal ein Stück genauer (aber halt ein bisschen trockener) zusammenfasst. Ich hoffe, es ist ok, wenn ich den Artikel mal mit anhänge, ich denke, dass das eine gute Ergänzung sein kann: https://www.sc-networks.de/blog/buyer-personas-nutzen-erstellung-und-einsatz/
Letztlich ist, wie ich glaube, das Kundenprofil und die Zielgruppenanalyse das wichtigste Instrument heutzutage, weil es den Weg für weiteres Marketing eröffnet. Nur zufällig gefunden werden oder erwarten, dass man eben der einzige Schreiner in der Umgebung ist, wird immer schwieriger. Danke für deinen tollen Artikel!
Beste Grüße,
Patrick
Danke für dein Lob Patrick.
Es einfach zu erklären ist mir sehr wichtig, weil mir das im Studium alles zu trocken war 🙂