
Da viele Selbständige wohl dieses Wochenende nutzen werden, um die Mehrwertsteuersenkung zu realisieren (ich nicht, ich bin im Europa-Park :D), habe ich mir gedacht, ich mache noch einen Beitrag darüber, in der Hoffnung, dass er euch hilft.
Mehrwertsteuersenkung: Wer profitiert?
Ziel der Bundesregierung ist den Konsum anzukurbeln. Doch das wird nicht immer gelingen. Branchen, die von der Krise nicht so gebeutelt waren und in dem es relativ viel Angebot gibt, werden die Mehrwertsteuersenkung so gut es geht an ihre Kunden weitergeben. So hat Lidl schon jetzt fast alle Preise angepasst, andere Supermärkte werden folgen oder haben es schon. Konsumierende für den alltäglichen Bedarf könnten davon also profitieren.
Viel Angebot hat auch die Autoindustrie. Diese hat Überkapazitäten und schon vor der Krise überproduziert. Da sie nicht so vom Konjunkturpaket bedacht wurden, wie gewünscht, setzen sie die Mehrwertsteuersenkung so um, wie man es eigentlich von MediaMarkt kennt: Sie geben 16 % Rabatt. Ein netter Marketing-Gag, der immer noch gut zieht.
Gebeutelte Branchen wie die Gastronomie, die Hotellerie oder die Kunst-Branche werden keinen großen Spielraum haben, die Ersparnisse weiterzugeben. Sie werden diese höchstwahrscheinlich nutzen, um ihre Finanzlöcher zu stopfen. Hier profitieren eher die Unternehmen als die Verbraucher.
Ob der kurze Zeitraum der Senkung den nötigen Konsumimpuls bringt, wird sich zeigen. Politiker schließen deshalb nicht aus, dass sich die Maßnahmen verlängern. Denn die Wirtschaftskrise wird ziemlich sicher nicht am 1.1.2021 vorbei sein.
Bürokratischer Aufwand
Viele Selbständige werden wie ich im Business2Business Bereich unterwegs sein, wodurch die Mehrwertsteuersenkung sich allerhöchstens über drei Ecken positiv für uns auswirkt. In den meisten Fällen wird der bürokratische Aufwand überwiegen.
Die Mehrwertsteuer fällt immer am Tag der Leistung an. Wenn du jetzt noch im Juni eine Rechnung erstellst für die Leistung im Juli, muss trotzdem der verringerte Mehrwertsteuersatz ausgewiesen werden.
Bei mir ist es so, ich stelle immer die Rechnung für Leistungen in der Vergangenheit. Jetzt muss ich im Juli trotzdem eine Rechnung für die Leistungen im Juni mit 19 % stellen.
Noch doofer ist es, wenn du zum Beispiel intervallweise abrechnest. Also beispielsweise die Serverwartung von Mai-August. Dann muss der Mai und Juni mit 19 % ausgewiesen, der Juli und August aber mit 16 %.
Was passiert bei zu viel gezahlter Mehrwertsteuer?
Es wird sicher passieren, dass Rechnungen falsch sein werden.
Wenn du für Leistungen im Juli aus Versehen 19 % und nicht 16 % abrechnest, dann bist du auch dem Finanzamt die 19 % schuldig! Dein Leistungsempfänger kann allerdings nur 16 % vom Finanzamt zurückfordern (wenn er Vorsteuerabzugsberechtigt ist). Ihr schenkt dem Staat also 3 %. Außer es fällt euch rechtzeitig auf, denn eine Rechnungskorrektur ist möglich.
Online-Shops profitieren am meisten
Ich bin mir nicht bewusst, ob es der Bundesregierung klar ist, denn sie wollten ja den (Offline-)Einzelhandel stärken. Allerdings ist die Maßnahme hauptsächlich ein Wettbewerbsvorteil für den Online-Handel.
Während im Einzelhandel die Kassensoftware umgestellt werden muss und einzelne Artikel neu ausgezeichnet werden müssen, ist es im Online-Shop meist nur eine Variable die geändert werden muss. Der Verwaltungsaufwand ist also sehr unterschiedlich.
Zwar gibt es eine Ausnahmeregelung für den Handel, dass man die Mehrwertsteuersenkung auch am Ende des Bezahlvorgangs als “Rabatt” gewähren kann, allerdings glaube ich nicht, dass das den gewünschten Kaufimpuls setzt.
So wird man für die volle Durchschlagskraft des Konsumanreizes im Handel wohl gezwungen sein, die Preise neu auszuzeichnen. Vielleicht auch so, dass man nicht jedes Produkt um die Mehrwertsteuersenkung senkt, sondern so, dass das Sortiment am Ende 2,5 % günstiger ist. Gut laufende Produkte könnte man im Preis konstant halten und die Ladenhüter dafür höher rabattieren.
Besonderheit Gastronomie
Da die Gastronomie besonders von der Krise gebeutelt wurde, gab es noch vor dem Konjunkturpaket die Entscheidung, dass diese Branche bis zum 30. Juni 2021 den verringerten Mehrwertsteuersatz berechnen dürfen.
Das heißt ab 1. Juli bis 31. Dezember 2020 mit 5 %. Wenn die Maßnahmen nicht verlängert werden, dann vom 1. Januar bis 30. Juni 2021 mit 7 %. Allerdings sind für Getränke dann wieder ab 1.1.2021 die 19 % fällig. Ein Glück für alle, die flexible Kassensysteme besitzen. Aber auch damit ist das Fehlerpotential recht groß.
Wichtig ist die Abgrenzung
Es ist jetzt schon Pflicht, auf der Rechnung das Leistungsdatum auszuzeichnen. Aber Hand auf Herz, das wird bei den meisten Dienstleistungen ziemlich stiefmütterlich behandelt. Wichtiger denn je ist es jetzt die genaue Leistungserbringung festzuhalten, bestenfalls noch mit Beweisen, damit es bei einer Steuerprüfung nicht zu unerwarteten Strafen und Nachzahlungen kommt.
Abschließend kann man sagen, dass die Bundesregierung sich hier ein sehr bürokratisches Instrument ausgesucht hat, um die Wirtschaft anzukurbeln. Es wird sich zeigen, ob es was bringt. Man darf allerdings skeptisch sein.
Ich habe über die Maßnahme der Mehrwertsteuersenkung auch sehr lange in der neuesten Podcast-Ausgabe philosophiert. Über Hörer und Hörerinnen würde ich mich sehr freuen.
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Vielen Dank für den erhellenden Artikel. So muss ich mich nicht durch Original-Gesetzestexte quälen, sondern weiß, was zu tun ist. Schreibe gerade Rechnungen…
Schön, dass ich helfen konnte. Ich leide mit dir 😀