Es gibt Weisheiten, die hat man so im Gefühl und kann sie sich erst einmal nicht erklären. Irgendwann stolpert man dann über einen Artikel und alles wird plötzlich klar. So erging es mir bei der 80/20 Regel oder auch Paretoprinzip genannt.
Diese Regel besagt, dass 80 % der Ergebnisse mit lediglich 20 % des Gesamtaufwandes erreicht werden. Das Paretoprinzip hat mich unterbewusst schon mein ganzes Leben lang begleitet. Jetzt in der Selbständigkeit wurde mir die 80/20 Regel mehr und mehr bewusst, sodass ich mir eigene Konsequenzen daraus abgeleitet habe.
80/20 Regel im realen Leben
Es war mir in der Schule schon immer ein Mysterium, warum ich ohne großen Aufwand stets eine Drei schaffte. Da langte manchmal sogar das Arbeitsblatt fünf Minuten vor Stundenbeginn durchzulesen, um eine durchschnittliche Note zu erzielen. Mit ein klein bisschen Mehraufwand war auch eine Zwei locker erreichbar. Doch um eine Eins zu erhalten war immenser Aufwand vonnöten, wen man sich aus Hobby-Gründen nicht schon zufällig mit dem Thema lange auseinandergesetzt hat. Diese Erkenntnis zog sich auch durchs Studium, sodass meine Lernstrategie sich dementsprechend Entwickelt hat.
Es war also möglich, mit relativ wenig Zeitaufwand gute Ergebnisse zu erzielen. Um eine signifikante Steigerung zu erzielen hätte ich hingegen überproportional viel Aufwand hineinstecken müssen. Das war es mir nicht wert. Die Zeit habe ich in meiner Schulzeit und während meines Studiums lieber meinen Webseiten und Blogs gewidmet.
Statistisches Phänomen
Ich bin natürlich nicht der Erste, der sich über diese Abhängigkeit Gedanken gemacht hat. Da war der Franzose Vilfredo Pareto rund 121 Jahre schneller und auch gründlicher als ich. Nach einer Untersuchung des Bodenbesitzes in Italien stellte er fest, dass 80 % des Bodens nur 20 % der Bevölkerung gehörten. Daraus leitete er das sogenannte Paretoprinzip oder eben die 80/20 Regel ab.
Im Laufe der Zeitgeschichte wurden weitere dieser Abhängigkeiten festgestellt. Im Jahr 1989 besaßen beispielsweise 20 % der Weltbevölkerung 82,7 % des Weltvermögens.
Das soll jedoch nicht suggerieren, dass die 80/20 Regel in Stein gemeißelt ist. Sie kann sich durch gezielte Maßnahmen verschieben. Aktuell besitzen die reichsten 10 % schon 85,2 % des Vermögens.
Heutzutage kommt die 80/20 Regel vor allem im Business-Umfeld und in Zeitmanagement-Methoden zur Anwendung. Das hat auch seinen guten Grund.
Die 80/20 Regel in der Selbständigkeit
Für Selbständige kann die 80/20 Regel von besonderer Bedeutung sein. Wir alle haben mit Motivations- und Zeitproblemen zu kämpfen.
Zeitlich ist es bei mir meistens gar nicht so tragisch. Allerdings kann ich nicht immer für die Dinge, die mich voranbringen, die gewünschte Kraft mobilisieren. Deshalb vertrete ich die Meinung, dass man die Zeit, in der man top motiviert ist, auch sinnvoll zu verbringen. Eben in 20 % der “Power-Zeit” an den wichtigen 80 % zu arbeiten. Was genau die wichtigen 80 % sind, ist selbstverständlich von Business zu Business unterschiedlich.
20 % der Kunden bringen 80 % der Umsätze
Eine Bank hat beispielsweise einmal herausgefunden, dass die besten 20 % der Kunden, 80 % der Umsätze bringen. Ich habe das auch einmal bei meiner Partnerfirma überprüft und habe dort ein ähnliches Verhältnis der Lizenzbestellungen feststellen können. Bei mir ist es ähnlich, aber nicht sehr aussagekräftig, weil mein Kundenkreis doch noch sehr überschaubar ist.
Viele Unternehmensberater geben deshalb den Tipp, dass Unternehmen ihre Kunden in drei Hauptkategorien einteilen sollen. Die A, B und C-Kunden. Der Fokus und die Firmenausrichtung sollte offensichtlich bei den A-Kunden liegen. Die B-Kunden sollten sich bestenfalls im “vorbeigehen” bewältigen lassen. C-Kunden muss man loswerden.
So drastisch würde ich es nicht formulieren. Denn auch C-Kunden können dir bei schweren Zeiten den Arsch retten. Außerdem besitzen sie einen netten Netzwerkeffekt, den man in der Selbständigkeit nicht unterschätzen sollte. Trotzdem eröffnet dir die 80/20 Regel bei deinem Kundenkreis vielleicht völlig neue Perspektiven und eine Neujustierung deiner Kundenpriorisierung.
20 % der Supportfälle benötigen 80 % der Zeit
Dreht man den Spieß des Paretoprinzips um, kann man unter anderem die Zeitfresser identifizieren. Ein Paradebeispiel ist hier der Support. Die meisten Supportfälle können vielleicht sogar schon automatisch beantworten werden. Beim Rest wird es kniffelig.
Nun stellt sich die Frage, ob es überhaupt nötig ist, es allen recht zu machen. Sicherlich ist ein guter Support ein wichtiger Erfolgsfaktor für den Verkauf von Produkten und Dienstleistungen. Ich erlebe allerdings oft genug Fälle, bei dem ich mir ein Bein für die 20 % Fälle ausgerissen habe und am Ende war immer ein Anwenderfehler oder eine Fremdsoftware schuld.
Deshalb habe ich mir abgewöhnt, jeden zu 100 % zufrieden zu stellen und mich auf meine Kernkompetenz der eigenen Software- und Dienstleistung zu spezialisieren. Den Support anderer Produkte muss dann halt leider Gottes deren Hersteller übernehmen, auch wenn meine Software damit interagiert.
Um die schlimmen Fälle zu minimieren, dokumentiere ich mittlerweile konsequent mit, wenn ich helfen konnte. So verwandelt man die kniffligen Fälle vielleicht in automatische Antworten. Hört sich zwar ziemlich trivial an. Aber mal Hand aufs Herz, du dokumentierst sicher auch nicht gerne. Dabei gibt es einen triftigen Grund zur Dokumentation: Nichts ist ärgerlicher, als wenn dann zwei Jahre später der gleiche unwahrscheinliche Supportfall eintritt und man sich nicht mehr erinnern konnte, was die Lösung war.
80 % der Ergebnisse mit 20 % des Aufwandes
Da die 80/20 Regel vor allem im Zeitmanagement zum Optimierungstipp Nummer 1 avanciert, fußen viele Zeitmanagementmethoden auf dem Paretoprinzip. Hauptsächlich geht es darum, dass man sich nicht in der Perfektion verliert. Bei meinem kleinen Rechenbeispiel habe ich schon die These aufgestellt, dass nicht viel, sondern zielgerichtetes Arbeiten zum Erfolg führt.
Will heißen, dass du vollen Fokus auf die Kernfunktionen deiner Software, deiner Dienstleistung oder deines Produktes legen solltest. Eventuell wirst du um die zeitaufwändigen restlichen 80 % nicht herumkommen, aber du kannst strategischer vorgehen, wenn du dich nicht in Details verlierst. Stehen die Kernfunktionen, kannst du deine Kunden analysieren und die restliche Zeit besser dafür verwenden, dein Angebot zu optimieren.
Aus dieser Idee beruhen beispielsweise die Lean Managment Methoden.
20 % der Mitarbeiter erzielen 80 % der Ergebnisse
Jeder kennt die Pappenheimer, bei denen man sich denkt: “Warum bekommt der eigentlich Gehalt”? Es kommt nicht von ungefähr, dass Großkonzerne enorm viel Geld in ihre Personalabteilung (neudeutsch Human Ressource) stecken. Große Firmen müssen fast zwangsweise damit leben, dass ein nicht geringer Prozentsatz der Belegschaft einfach unproduktiv ist. Aufgrund der schieren Größe reißen es dann die Performer heraus, mit all den negativen Konsequenzen: Die vermeintlich unqualifizierten werden befördert, weil man das Arbeitstier in der Abteilung behalten möchte. Das Gefühl der Ungerechtigkeit spaltet das Team und so weiter und so fort.
Während bei großen Firmen die falsche Mitarbeiterwahl, wenn sie denn nicht ausufert, lediglich zu geringeren Gewinnen führt, hast du als kleiner Selbständiger bei der falschen Personalwahl ein großes Problem. Das kann dir im schlimmsten Fall deine Existenz kosten. Ich sag mal, dass die ersten fünf bis zehn Mitarbeiter entscheidend sind, erst dann kann man sich “Fehlgriffe” erlauben. Weshalb du am Anfang bei der Mitarbeitersuche nicht zu risikoreich handeln solltest.
Wenn dein Business gewachsen ist, gilt es die 20 % Leistungsträger zu identifizieren, um sie zu fördern und zu halten.
Weitere Erkenntnisse dank des Paretoprinzips
Für meine Selbständigkeit hat die 80/20 Regel vor allem drei Erkenntnisse gebracht.
1. Fokussierung auf die wichtigen Aufgaben
Obwohl ich immer mal wieder damit anfange, mir Listen zu schreiben halte ich das nicht lange durch. Trotzdem mach ich mir Abends auf dem Nachhauseweg immer Gedanken, was ich am nächsten Tag unbedingt schaffen möchte. Diese im Kopf gesteckten Ziele versuche ich am nächsten Tag so fokussiert wie nur möglich anzugehen.
Bei Projekten habe ich mich früher oft in Nebensächlichkeiten verloren. Dies wird mit der Erfahrung und der Reflektion auf die Ergebnisse immer besser. Beim Programmieren habe ich früher beispielsweise erst einmal angefangen, um dann später zu merken, dass ich mich verzettelt habe. Jetzt setze ich viel Zeit auf die Planung des Grundgerüstes. Damit kommt man zwar nicht schneller zu ersten Ergebnissen, jedoch schneller zum ersten Prototypen. Außerdem ist es anschließend einfacher, neue Module hinzuzufügen.
2. Gelassenerer Umgang mit Motivationslöchern
Wie man meinen Arbeitsnachweisen entnehmen kann, habe ich mich am Anfang meiner Selbständigkeit versucht darauf zu fokussieren, so viel wie möglich zu arbeiten. Das hat aber mental meistens zu Frust geführt, weil ich meinen eigenen Ansprüchen nicht mehr gerecht werden konnte. Dadurch ist manchmal sogar das Gegenteil passiert: Ich war gelähmt vor Aufgaben.
Jetzt versuche ich das gelassener anzugehen. In der Zeit, in der ich es nicht schaffe, mich auf eine wichtige Aufgabe zu fokussieren, mache ich entweder bewusst nichts oder nutze die Zeit für Aufgaben, die nicht meine volle Aufmerksamkeit benötigen, wie:
- Mahnungen und Rechnungen schreiben
- die Buchhaltung auf den aktuellen Stand bringen
- Artikelrecherche
- Büro ausmisten
- E-Mails beantworten
- manuelle Datensicherungen anstoßen
- manuelle Updates durchführen
- Social Media Kanäle pflegen
- SEO-Maßnahmen für Zwischendurch ausführen
Früher habe ich diese Aufgaben oft gar nicht oder in meiner produktivsten Phase durchgeführt. Was dann zur Folge hatte, dass ich für die wichtigen Dinge zu unmotiviert war oder sie trotzdem gemacht habe. Das führte zu einigen Fehlern, da ich mich nicht vollends auf die Aufgabe fokussieren konnte.
Hat das eigene Unternehmen irgendwann einmal eine gewisse Größe erreicht, kannst du unliebsamen Aufgaben auch delegieren. Das führt eventuell zu einer Stunde mehr “Power-Zeit”, die als Chef den Ausschlag über Erfolg und Misserfolg geben kann.
3. Perfektion nur, wenn es nötig ist
Die 80/20 Regel schreit ja förmlich nach dem Fazit, dass man nicht perfekt, aber gut sein muss. Trotzdem hat man als Selbständiger ja immer so ein bisschen den Anspruch, es perfekt zu machen. Man muss ja die Konkurrenz schlagen und seine Kunden glücklich machen.
Im Laufe meiner Projekte habe ich aber gemerkt, dass der Perfektionsanspruch für beide Seiten kontraproduktiv ist. Kein Kunde zahlt gerne drei Stunden Aufwand, nur damit der OK-Button an der richtigen Stelle ist. Schenken kann man ihm den Aufwand aber auch nicht, denn irgendwie muss man seine Kosten ja auch wieder hereinholen. Dies gilt es mit dem Kunden vernünftig zu kommunizieren, dann sind in der Regel beide Seiten glücklich. Vielleicht wünscht dein Auftraggeber trotzdem die Perfektion, dann kannst du ihm diese freilich auch anbieten, wenn du das leisten kannst.
Die 80/20 Regel ist kein Freifahrtschein
Trotzdem muss natürlich klar sein, dass das Paretoprinzip kein Freifahrtschein zum Nichtstun ist. Sondern eher ein weiteres Plädoyer für mehr Struktur, Effizienz und Resilienz.
Ich hoffe, ich konnte dich mit meinem Artikel zur 80/20 Regel in der Selbständigkeit ein bisschen inspirieren und dir neue Impulse mit auf den Weg geben. Über Anmerkungen und Ergänzungen freue ich mich wie immer sehr.
Du kommst bei deinem Projekt nicht weiter oder brauchst einen Boost? Dann lass dir von mir helfen zum Beispiel bei: ► Beratung für Selbständige, Gründer & Ideenschmiede Egal, ob du erste Tipps brauchst. Einmal über deine Idee reden möchtest oder mit mir das Konzept für das nächste Facebook ausarbeiten willst. ► Entwicklung von Software, APPs & Webseiten Beispielsweise: WordPress Shops & Plugins, (Gaming-)Apps, Datenbank-Applikationen oder andere smoothe Anwendungen! Mehr Infos, Preise und Kontaktmöglichkeiten findest du hier! |
Deine Blogbeiträge werden immer noch besser. Ich mag es wenn man statistische Phänomene etwas näher beschreibt und seine eigene Arbeit reflektiert.
Wie hast du es geschafft alles gut zu dokumentieren? Neuer Habit? Ein Programm? Notizblock immer dabei und dort nur diese Eintragungen?
Viele Grüße von Alex von rubyandlion.de
Hey Alex,
danke für dein fettes Lob.
Ich tracke meine Projektzeiten mit clockodo.de mit. Die Umsatzstatistiken hol ich mir aus OrgaMax (gibt aber sicherlich bessere Tools). Dann halt “einfach” verknüpfen.